Vor unserer Reise haben uns einige gefragt, ob uns bei einer so langen Zeit nicht langweilig werden würde. Ihnen zumindest ginge es so, dass sie sich nach 2 Wochen Urlaub wieder auf ihren Alltag Zuhause freuen würden. Damals Antwortete ich, wir haben so viele Ideen und glauben nicht, dass Langeweile ein Problem werden würde.
Heute würde ich Antworten: Ich freue mich auf Langeweile! Aber zunächst einmal müssen wir einige Annahmen der Aussage genauer unter die Lupe nehmen:
Vanlife = Urlaub
Manche Menschen denken, dass unser momentaner Lebensstil einem Dauer-Urlaub entspricht. Unter Urlaub verstehe ich eine Auszeit und Erholung vom Alltag. Wir haben uns tatsächlich nach der Ankunft auf Lanzarote Urlaub gegönnt, konnten abschalten, sind auch mal Essen gegangen oder lagen am Strand. Mittlerweile ist der Urlaub aber dem Alltag gewichen. Es haben sich Routinen etabliert, die es so Zuhause in Deutschland nicht gab. So haben wir uns zum Beispiel angewöhnt, uns Zeit für die Dinge des Alltags zu nehmen, weil es einfach Spaß macht und gut tut.
Da dauert das Einkaufen, Kochen, Essen oder der Abwasch halt länger. Hier ein paar Impressionen unserer Essenskreationen:
Zeitweise haben wir so am Tag alleine ca. 5-6 Stunden für das Thema Essen mit den oben genannten Punkten in Anspruch genommen. Dazu kommt momentan eine tägliche Arbeit von ca. 1-2 Stunden für Reparaturmaßnahmen und Baumarktaufenthalte und ungefähr 1-2 Stunden im Schnitt am Tag „Bushalt“ (Putzen, aufräumen, Hansi versorgen, Müll entsorgen usw.) . Alle 3-4 Tage wechseln wir den Platz, füllen unsere Vorräte auf, lassen Grauwasser ab, tanken Frischwasser auf und alle 3 Wochen ist Waschtag. Also Wäsche-Waschtag ;-). Körperpflege gestaltet sich relativ einfach: Das tägliche Bad im Meer ist angenehm erfrischend und danach können wir uns bei Bedarf an unserer Außen- oder Innendusche abduschen.
Und ansonsten bleibt natürlich noch Zeit für Hobbies: Yoga oder Meditation am Strand, schwimmen, Gitarre spielen, Besuch im Fitnessstudio (inklusive meist warmer Dusche *juhu*) und natürlich auch in der wundervollen Sonne entspannen oder sehr nette soziale Kontakte knüpfen. Gerade hier auf Lanzarote lernen wir an so gut wie jedem Spot, an dem wir nicht alleine stehen, neue und faszinierende Menschen kennen.
So lernen wir an einem unserer Lieblingsplätze Plaja Mujeres zum Beispiel Stephan kennen. Er parkt direkt neben uns und uns fällt auf, dass es die ganze Zeit aus seinem Van wackelt und klopft. Nach Stunden kommt er raus, wir kommen ins Gespräch und erhalten die Auflösung unserer Vermutungen: Er ist professioneller Pianist und hat ein Klavier und ein E-Piano an Bord seines Vans, mit dem er auf Tour geht und übt dementsprechend stundenlang am Tag. Er ist auf Lanzarote ausgewandert und wohnt in einem FKK Dorf auf der Insel, zu dem er uns auch gleich einlädt.
Oder an einem anderen Tag lernen wir Lukas kennen. Er lebt alleine auf einem Zweimaster Holzsegelschiff, dass gerade in 200 Meter Entfernung ankert und bereist damit die kanarischen Inseln schon seit Jahren. Vermutlich kann man sich ihn als einen typischen „Aussteiger“ vorstellen. Der Austausch ist definitv sehr Interessant und er freut sich sehr über unsere Gesellschaft, da sein „Boat-Life“ doch zeitweise einsam ist.
Wieder an einem anderen Tag schließen wir uns einer spontanen Beach-Grillparty von zwei entspannten, humorvollen und sehr herzlichen einheimischen canarios an. Mit dabei sind Meret und Patrik, ein älteres Ehepaar aus Österreich/Deutschland und zwei Mädels, die gerade ihre letzten Tage auf Lanzarote verbringen, nachdem sie über ein halbes Jah als AuPair auf den Kanaren verbracht hatten. Zum Glück können sie sehr gut spanisch, sodass wir uns einfach mit den Spaniern austauschen können und auch mal aus erster Hand erfahren, wie das Leben auf Lanzarote fernab vom Vanlife wirklich ist.
Pannen, Pech und Party – der Alltag ist voller Überraschungen
Gerade stehen wir 2 Kilometer entfernt von Puerto del Carmen – in der Stadt, bei dem es zu dem Zwischenfall mit dem versuchten Fahrraddiebstahl mitten in der Nacht kam. Wir haben uns dort für den morgigen Tag mit unseren Italiener und Schweizer Freunden zum Essen gehen und Feiern verabredet.
Die Zufahrt zu dem Platz ist eine abenteuerliche Holperpiste, die Brummel aber sehr gut wegsteckt. Am Platz angekommen stellen wir jedoch schnell fest: Wir haben einen Platten. Der Reifen verliert langsam Luft und nach genauerem hinsehen entdecken wir eine Schraube, die sich tief in das Gummi reingebohrt hat. Wir wundern uns nicht mehr über solche Vorkommnisse, nehmen es zur Kenntniss und gehen schlafen. Es ist schon spät und bei Dunkelheit macht es keinen Sinn einen Reifen zu wechseln. In weiser Voraussicht haben wir für diesen Fall vorgesorgt: Ersatzrad, Wagenheber und Luftpumpe haben wir dabei!
Am nächsten Morgen geht es frisch ans Werk: Wagenheber angesetzt und hoch. Natürlich war beim Kauf des Autos kein original Fiat Ducato Wagenheber dabei sondern ich habe einfach den Wagenheber von meiner verkauften C-Klasse mitgenommen. Leider wiegt ein Ducato ein bisschen mehr, als ein Kombi und der Wagenheber wird durch die Last so verbogen, dass unser Van vom Wagenheber abrutscht.
Zum Glück passiert uns und dem Auto dabei nichts. Verzweifelt rufen wir Patrik und Meret an und fragen sie, ob sie bei ihrem Citroen Jumper einen Wagenheber dabei haben. Zu unserer Freude haben sie sogar einen originalen Wagenheber dabei und da die Jumper Baugleich mit den Ducatos sind, wird er perfekt passen.
Innerhalb kürzester Zeit sind sie da und wir können weitermachen – nur um festzustellen, dass wir die nächsten Probleme haben: Das Ersatzrad passt nicht, und die hinteren Gummipuffer sind nicht mehr existent! In dem Moment zweifle ich an der Menschheit. Wer verkauft uns ein Auto mit Ersatzrad, das nicht zum Auto passt? Unglaublich.
Also Plan B: Patrik und Jana-Sophie packen den kaputten Reifen ein und fahren damit zur nächsten Werkstatt. Dort wird er für 5 Euro in spanischer Gelassenheit repariert und die Sache ist erledigt! Die defekten Gummipuffer werden wir an einem anderen Tag reparieren.
Froh, dass doch alles geklappt hat, gehen wir nach Puerto del Carmen und haben einen lustigen und ausgelassenen Abend.
Ich muss erwähnen, dass wir solche Pechsträhnen, Pannen und Überraschungen nicht selten hatten:
- An irgendeinem Sonntag mussten wir einen Tierarzt aufsuchen, weil wir den Verdacht hatten Hansi’s Fuß wäre gebrochen.
- An irgendeinem Regentag mussten wir feststellen, dass es durch das Dachfenster reinregnet.
- An irgendeinem Tag nach einer weiteren Holperpiste fällt der Abwassertank von der Halterung ab und streift am Boden entlang…
- An irgendeinem Tag nach einer schönen Dusche stellen wir fest, dass die Innendusche nicht richtig abgedichtet ist und die Brühe im ganzen Bus rumläuft.
- An irgendwelchen anderen Tagen habe ich stundenlang nach Fehlern gesucht, warum gerade der Akku nicht geladen wird, oder die 12V Versorgung, oder die 230V Versorgung oder die Wasserpumpe, oder der Kühlschrank, oder das Radio, oder die Lüftung, oder weiß Gott was nicht funktionieren.
Trotz den Herausforderungen ist es wichtig, nicht in einen negativen Fokus zu geraten nach dem Motto „alles ist beschissen“. Wir versuchen meist das Beste daraus zu machen ohne uns zu viel Stress und Sorgen zu machen. Hansi, der Chiller, ist dabei unser größtes Vorbild:
Wir freuen uns auf Langeweile
Oft wird Langeweile als etwas negatives assoziiert. Bei manchen Menschen wird Langeweile mit Unproduktivität und dementsprechend Faulheit gleichgesetzt. Bei anderen ist es ein anstrengender Zustand da das Gehirn anfängt, sich mit unangenehmen und vielleicht unverarbeiteten Dingen auseinander zu setzen. Gerade wenn wir zur Ruhe kommen, fangen wir an in der Zukunft oder in der Vergangenheit zu leben und neigen dazu, uns mit dessen Problemen auseinanderzusetzen, anstatt den schönen Sonnenuntergang mit einem leckeren Feierabendbier zu genießen.
Bei uns ist Langeweile oft ein Zustand, in dem wir kreativ werden. Es gibt jetzt nichts zu tun und wir haben die Möglichkeit, neue Ideen zu bekommen, oder die Motiviation an alten Ideen weiterzuarbeiten, oder ein vernachlässigtes Hobby wieder mit Leben zu füllen. Deshalb verspüren wir dieses typisch negativ verbundene Gefühl der Langeweile nicht, sondern freuen uns auf den Zustand. Sehr sogar.