Wir folgen den verschlungenen und verschneiten Schwarzwaldstraßen in Richtung Westen. Nach einem kurzen und herzlichen Zwischenstopp bei Janas Oma in Gaggenau geht es weiter in Richtung Süden und wir überqueren die französische Grenze bei Mülhausen. Wir sind relativ spät losgefahren, haben uns aber gut mit Proviant und Vorfreude eingedeckt, um bis tief in die Nacht zu fahren. Kurz nach Lyon finden wir einen schönen gemütlichen Platz, direkt an einer kleinen Dorfkirche und verbringen die erste Nacht in unserem neuen Zuhause. Nach einem erholsamen Schlaf und einem morgendlichen Spaziergang geht es weiter in Richtung Montpellier. Hier kennen wir von unserem Urlaub bereits einige schöne und kostenlose Stellplätze.
5 Kilometer vor dem anvisierten Stellplatz fahre ich von der Autobahn runter und nehme die scharfe und kurze Auffahrt auf die Schnellstraße. Da Verkehr kommt, bremse ich ab und eine Sekunde später kracht es plötzlich unfassbar laut! Im ersten Moment denke ich, dass unser Heck mit unseren Fahrrädern komplett zerlegt wurde. Ich blicke in den Seitenspiegel und sehe eine Mittelklassen-Limousine, die voll auf uns aufgefahren ist. Während Jana nach den Katzen schaut, sehe ich nach der Fahrerin und dem Schaden. Zum Glück ist die Französin bis auf einen kleinen Schrecken wohlauf, was man von ihrem Auto leider nicht behaupten kann. Ihre komplette Front wurde von unserer Stahl-Trittbrettstufe dermaßen aufgerissen, dass der Aibag bei ihr ausgelöst hat – vermutlich hat sie sogar einen Totalschaden. Unsere Trittbrettstufe hingegen hat nur eine Delle, die man mit der Lupe suchen muss. Zum Glück kann die Französin super Englisch sprechen. Sofort entschuldigt sie sich, sie hätte uns zu spät gesehen und dementsprechend zu spät gebremst. Sie will auf jeden Fall für den Schaden an unserem Auto aufkommen und möchte, dass wir die Versicherungsdaten austauschen. Wir erklären ihr, dass das nicht notwendig ist, da bei uns wirklich kein Schaden vorhanden ist (die Trittbrettstufe wurde durch einen Baum schon stärker verbeult). Nachdem sie sich Hilfe organisiert hat, fahren wir sehr heilfroh, dass alle Wohlauf sind, auf unseren Stellplatz in Séte direkt ans Meer.
Eigentlich wollten wir ab hier unsere Reise gemütlicher angehen. In Südfrankreich kann es im Winter auch mal ganz angenehm sein. Leider haben wir kein Glück, denn es hat Minusgrade und der scharfe Wind ist eiskalt! Zum Glück funktioniert unsere Standheizung, wobei der Warmwasserboiler leider schon den Geist aufgegeben hat. Schnell finden wir uns damit ab – kein warmes Wasser zu haben sind schließlich „Luxusprobleme“. Hauptsache die Luft im Fahrzeug ist im zweistelligen Celsius Bereich.
Nach einer doch sehr kalten Nacht wollen wir am dritten Tag unserer Reise die spanische Grenze überqueren und suchen zwischen Barcelona und Valencia einen Stellplatz. Ich kann mich nicht entscheiden, welchen Platz wir anfahren sollen, deshalb überlasse ich Jana die Entscheidung. Manchmal ist es einfach unglaublich wie einige unscheinbare Entscheidungen das Leben bedeutsam beeinflussen können; Wir steuern einen kleinen Stellplatz bei Riumar an. Das ist ein kleines Urlaubsdörfchen im „Parc Natural del Delta del l’Ebre“, einem sehr schönen Naturschutzgebiet, bestehend aus Büschen, Bäumen, und Sanddünen. 400 Meter vor dem Stellplatz fahre ich zu zaghaft über einen kleinen Sandhügel, die sich dort auf den Straßen durch den Wind bilden, und es kommt wie es kommen musste – wir bleiben im Sand stecken. Direkt hinter uns fährt ein Schweizer Pärchen, das uns sofort tatkräftig zur Hilfe kommt und wir so schnell die zwei festgefahrenen Vorderräder vom Sand freigraben können. Nach der „Befreiaktion“ richten wir uns auf dem Campingplatz ein, kommen mit den Schweizern ins Gespräch und stellen uns vor. Meret und Patrik heißen unsere Retter in der Not. Sie sind am gleichen Tag wie wir losgefahren und wollen auch mindestens ein Jahr Europa bereisen. Was für ein Zufall! Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass sich daraus eine Freundschaft entwickeln wird und sie uns noch einige weitere Male aus der Patsche helfen werden.
Unsere Katzen machen die Tour bis hier ganz gut mit. Josi ist wie erwartet sehr ängstlich und möchte keinen Fuß vor die Tür setzen. Für Hans ist das alles kein Problem. Er springt immer sofort raus, möchte die neue Gegend erkunden und sich zum „Alphakater“ ernennen lassen. Auf dem Platz in Riumar sind jede Menge andere Tiere unterwegs, vor allem kleine Kitten und Hunde. Nach der ersten Nacht in Riumar traut sich Josi um die Nachmittagszeit doch raus. Sie macht einen Hüpfer nach draußen, bekommt sofort von den Kitten, die unter unserem Van sitzen, einen Schreck und rennt davon. Kein Problem denken wir, sie wird sich schon wieder fangen. Das war in der Schweiz vor einem Jahr schließlich so eine ähnliche Situation und da kam sie irgendwann wieder. Schon nach kurzer Zeit werden unsere deutschsprachigen Campingnachbarn, Meret und Patrik, sowie Markus, ein netter Vanlifer aus Österreich, nervös und fragen uns, ob wir uns keine Sorgen machen. Nö – wir bleiben gelassen und warten geduldig auf die Prinzessin. Nach 2 Tagen fahren Meret und Patrik weiter. Sie wollen auch irgendwann auf die kanarischen Inseln so wie wir aber zunächst möchten sie noch Portugal erkunden. Wir tauschen unsere Nummern aus, um in Kontakt zu bleiben.
Leider ist Josi bis jetzt immer noch nicht aufgetaucht. Jana ist weiterhin sehr entspannt, aber ich beginne langsam nach ihr Ausschau zu halten. So lange war sie in der Schweiz nicht weg. Sie muss doch schließlich irgendwann Hunger und Durst bekommen?
Nach 3 Tagen fehlt immer noch jede Spur von ihr. Wir machen uns mittlerweile beide größere Sorgen und suchen das Areal im Umkreis von 500 Metern ab. Dabei entdecken wir einen kleinen Naturteich mit Süßwasser – hier könnte sie getrunken haben. Mehrmals am Tag und in der Nacht drehen wir unsere Runden. Da Katzenaugen super reflektieren, kann man Katzen bei Nacht mittels Taschenlampe besser suchen als bei Tag. Erst recht, wenn man für sie gewohnte Geräusche macht und sie dann in die Richtung des Lichts schauen. Leider finden wir keine Spur von ihr. Unsere Vermutung ist, dass sie sich wegen den ganzen anderen Tieren nicht mehr zu ihrem Zuhause traut. Da wir Nachts bis jetzt die Türe immer verschlossen hatten, beschließen wir, sie ab sofort aufzumachen, sodass sie auch Nachts rein kommen könnte. Bei Temperaturen zwischen -2°C und 3°C ist das Vorhaben sehr knackig. Wir stapeln dazu alle unsere (dünnen) Decken aufeinander und packen uns in eine Zwiebelschicht mit T-Shirts, Pullis und Jacke.
Leider lässt sie sich immer noch nicht blicken. Wir geben dem Campingplatzbesitzer Bescheid, der daraufhin auch einen Mitarbeiter beauftragt Josi zu suchen. Eine sehr nette Geste aber leider vergebene Mühe, denn Josi ist so scheu, sie wird sich niemals einem fremden Menschen zeigen. Wir kontaktieren die Tierorganisation Tasso, bei der sie registriert ist und erstellen eine Suchanzeige. Ich informiere alle Tierheime und Tierärzte im Umkreis von ca. 50 Kilometer und erstelle einen Suchflyer mit einer stattlichen Belohnung. Unsere ganzen Bemühungen führen aber nicht zum Erfolg. Nachdem wir dann auch noch aufgrund einer Lebensmittelvergiftung wie zwei Zombies für einige Tage in der Kälte „vegetieren“, beschließen wir aufzugeben. Nach 12 Tagen erfolgloser Suche beziehen wir ein warmes AirBnB, um unsere Kräfte und Nerven wieder aufzufüllen. Jana hat zusätzlich noch eine Bronchitis abbekommen, die sie auch erst auskurieren muss. Wir sind zwar zuversichtlich, dass Josi noch lebt und eine gute Zeit in Parc Natural del Delta del l’Ebre hat – zweifelsfrei eine sehr schöne Gegend mit vielen Verstecken, Futterstationen und Wasserquellen, die von Katzenliebhabern aufgestellt werden. Jedoch sind wir trotzdem traurig. Warum sie nicht zu uns zurückgekommen ist bleibt ein Rätsel aber wir respektieren ihre Entscheidung, in Freiheit zu leben. Sie müsste noch immer ihre „Flaschenpost“ um ihr rosa Halsband haben. Ein kleiner Edelstahlzylinder mit Schraubverschluss, in dem eine Nachricht inklusive unserer Telefonnummern hinterlassen ist. Vielleicht bekommen wir irgendwann eine Nachricht….
Den Start in unser Vanlife Abenteuer haben wir uns nach dem Motorschaden wirklich minimal anders vorgestellt. Wir versuchen trotzdem das Beste daraus zu machen und positiv in die Zukunft zu Blicken. Schließlich hatten wir auch tolle Begegnungen und schöne Momente! Nach der Woche im AirBnB sind wir immerhin körperlich und geistig einigermaßen fit und es geht weiter in Richtung Süden…